Veränderungen – durch „Ausgrenzung“ blockiert…

Heute braucht es für meine Leser möglicherweise etwas Ausdauer, denn dieser Artikel ist recht wortreich. Ich habe zugegebenermaßen auch einge Schwierigkeiten, zu diesem Artikel eine treffende Überschrift zu wählen… wobei diese vielleicht gar nicht so wichtig ist…

Das Thema über welches ich heute hier schreibe, entstand nun über mehrere Wochen, in denen ich mich mit zum Beisiel mit den Argumenten für und gegen Fleisch in der Nahrung beschäftigt habe. Ich mich mit veganen und vegetarischen Strömungen beschäftigt und hineingehorcht, was diese Themen in mir auslösen. Kurz gesagt, die Quelle, die diesen Artikel schuf, bewegt mich schon seit einiger Zeit. Ich muss gestehen, ich bin natürlich auch nicht frei von Prägungen und Urteilen zu diesem Themenkomplex. Natürlich entspringt dies meinem eigenen Ego, weil mir andere Menschen meinen eigenen Mangel spiegeln. Meinen Mangel an dem Verständnis für die Standpunkt und das Agieren mancher anderer Menschen.
Ein sehr lieber ehemaliger Kollege hat mir jedoch mit dem Post eines Videos bei Facebook irgendwie eine etwas losgelöstere Perspektive auf das Thema gegeben und ich habe plötzlich alles aus einer anderen Warte – aus größerer Distanz heraus betrachten können.

Das spannende an uns Menschen ist ja, dass wir trotz allen Wissens um Bewusstheit auch immer mal wieder aus selbiger herausfallen. Das ist auch gut so, denn es hilft uns, weitere Erfahrungen zu machen und immer wieder Bewusstheit zu erspüren.
Jeder Tag, der mit Bewusstheit auf eine neue Art, mit einem neuen Thema, einer neuen Situation oder in einer neuen perspektive zeigt ist schlicht wunderbar. Es ist etwas, was den Horizont im wahrsten Sinne erweitern kann. Das zur kleinen Vorgeschichte… Nun aber zum Thema 😉

Wie erwähnt hat ein lieber Kollege bei Facebook ein Video geteilt. Ich möchte es Euch nicht vorenthalten und teile daher auch hier diesen Link. Ich möchte aber warnen, das Video enthält mitunter höchst verstörende Bilder von Menschen imUmgang mit Tieren und jeder entscheidet eigenverantwortlich, sich diesen Beitrag anzuschauen:
http://www.meatvideo.com/

Dieser Film zeigt in der Tat die Abgründe, welchen wir uns tagtäglich entziehen, wenn es um die Produktion von Fleisch- und Wurstwaren, sowie anderen tierischen Produkten geht. Ich verabscheue die Praktiken, welche in diesem Film zu sehen sind zutiefst. Ich habe kein Verständnis dafür, dass wir als aufgeklärte und intelligente Lebewesen so mit anderen Wesen umgehen „müssen“. Dennoch hatte ich nach dem Anschauen dieses Films ein Gefühl, einen Kommentar schreiben zu müssen. Keinen Kommentar, welcher sich rein auf die emotionalen Empfindungen bezog, welche ich beim Betrachten des Films gespürt habe. Nein, das Bedürfnis ging tiefer…

Ich möchte niemandem etwas unterstellen und weiß auch, dass irgendwie jeder versucht, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln und zu reagieren. Ich bin grundsätzlich froh über jeden kritischen Menschen, der Informationen weitergibt und somit anderen ermöglicht, sich neue Erkenntnisse zu verschaffen… So wie ich den Kollegen kennengelernt habe, weiß ich, dass er nicht leichtfertig andere Menschen verurteilt oder abstempelt. Aber das Bedürfnis zu einer sehr kritischen Aussage zu seinem Post und einer über den reinen Film hinausgehenden Beschäftigung damit, lag mir am Herzen.

Es ist ein Video mit harten Bildern und auch Tönen und ich zweifele in keiner Form an, dass es so etwas überall und immer wieder auf der Welt gibt. Dennoch empfinde ich, dass dieser Film ebenfalls sehr stark polarisiert. Wir Menschen neigen dazu, uns von polarisierenden Berichten, Filmen und Menschen in den Bann ziehen zu lassen. Wir lieben es sogar selbst oft zu polarisieren, wenn wir andere dringend davon überzeugen wollen, besser zu sein, besser zu denken und aufgeklärter mit den Dingen umzugehen, als andere.

Sind die Zustände im Kreislauf der Fleischindustrie grundsätzlich so wie in diesem Film? Sieht es in allen Schlachthöfen der Welt so aus? Sind alle Viehzüchter so, wie diese Menschen in den Filmen? Ich weiß es nicht, aber nach meiner Erfahrung habe ich gelernt, dass nahezu jeder, der „überzeugen“ möchte, nie alle Informationen zur Verfügung stellt. Ein Filmemacher möchte eine bestimmte Aussage treffen, ein Journalist mit seinem Artikel eine gewisse Note treffen. Ein Buch möchte eine Stimmung erzeugen… Alles ist immer von der Intention des Künstlers oder des Erschaffers eingefärbt und wird daher selten ein „ganzes“ Bild zeigen könne. Das ist auch nicht schlimm. Das ist weder gut, noch schlecht. Es ist nicht in böser Absicht geschehen, sondern eher aus den Befähigungen des Menschen selbst, die in vielerlei Hinsicht durch Filter, Prägungen, gelerntes Wissen und Erziehung eingeschränkt sind.

So wie die Ereignisse in den Geschichtsbüchern der Welt immer von den Gewinnern der Kriege und den machthaltenden Nationen bestimmt werden, werden Imagefilme, Romane, Sachbücher, Artikel und all die anderen „aufklärenden“, „unterhaltenden“ oder sonstige Informationen immer von den Interessen der Macher bestimmt und unterm Strich geht es selbst dabei häufig – wenn auch definitiv nicht immer – um Profitgier oder strategische „Machterweiterung“ – leider. Vielleicht nicht bei dem Künstler, der einst die Idee entwickelte, aber spätestens dann, wenn bestimmt Interessengruppen sich dazu berufen fühlen, auf den Zug aufzuspringen, haben wir es mit Machtkämpfen zu tun. Machtkämpfe, die stets darauf basieren, dass eine definierte Gruppe von Menschen sich unter selbstgemachten Regeln als „gut“ definiert und alle anderen, die nicht in dieses Regelwerk hineinpassen als „schlecht“ und „unpassend“ ausgrenzen.

Ich wünsche mir natürlich dennoch, dass wir alle gründlich über das Thema „Fleisch als Nahrungsmittel“ und auch „Tierprodukte als Nahrungsmittel“ nachdenken und unsere Entscheidungen gut fundiert treffen. Dass da nach wie vor einiges schief läuft in Sachen menschlichen Respekts gegenüber der Natur und Umwelt, steht außer Frage. Aber reicht es im konkreten Fall, mit dem Finger auf die Menschen zu zeigen, die nach wie vor Fleisch essen? Ist es nicht sinnvoller, dass wir insg. einmal nachdenken sollten, wie wir uns von der Natur weiter und weiter entfremden?

Wer von uns Carnivoren, Veganern, Vegetariern oder wie auch immer wir uns in Bezug auf das Essen bezeichnen mögen, verwendet ein Smartphone, Tablet oder ähnliche Geräte und lässt sich von seinem Anbieter alle 2 Jahre lecker ein neues Gerät aufschwatzen, obwohl das aktuelle Gerät noch wunderbar funktioniert. Habt Ihr ansatzweise eine Ahnung, welche Auswirkungen die Beschaffung der Bestandteile eines solchen Gerätes auf Mensch, Tier und Umwelt hat? Wahrscheinlich nicht oder nur wenig oder aber die neuen technischen Möglichkeiten, mit dem neuen Gerät nun doch wirklich 2 Stunden längeren Stand-by Betrieb zu genießen ist um so vieles „wichtiger“, dass wir dieses Wissen einfach ausblenden.
Wer von uns verlässt sich darauf, dass der Ökostrom, den wir umweltbewusst bei unserem Anbieter gebucht haben auch wirklich öko ist, nur weil es in der Broschüre steht? Sind Windkraftanlagen wirklich der Weisheit letzter Schluss? Wie wirken sie sich auf Flugrouten von Zugvögeln aus? Was ist mit Wasserkraft oder Gezeitenkraft? Werden dadurch Fischschwärme und andere Meeres- und Flussbewohner in Mitleidenschaft gezogen? Ach, aber es ist doch Ökostrom, das ist zumindest besser und deshalb kann ich ruhig auch mal zwei oder drei Geräte angeschaltet lassen, die ich gerade gar nicht aktiv verwende. Es ist doch umweltbewusst mit dem grünen Strom aus der Steckdose.

Wieviele Menschen kaufen nur noch „bio“ und sind der Meinung, dass sie damit auch grundsätzlich nachhaltig und umweltschonend kaufen? Biokartoffeln aus Ägypten, die in unseren Ladenauslagen liegen, während deutsche Biobauern ihre Kartoffeln nicht loswerden sind nur ein Beispiel für die Absurdität Bio-Label und Nachhaltigkeit. Wer sich einmal mit dem Thema Palmöl beschäftigt, wird dort ähnlich schockierende Informationen finden. Dummerweise ist auch in vielen Bioprodukten Palmöl enthalten. Nuss-Nougat-Cremes, Eis, Schokolade, Schokokekse und so weiter. In keiner Biorichtlinie steht wirklich etwas darüber, dass der Anbau der Inhaltsstoffe und Zutaten „nachhaltig“ geschehen muss. Es wird lediglich reguliert, dass es ohne bestimmte Pestizide usw. geschehen muss. Also ist es nicht unwahrscheinlich, dass dieses Palmöl dennoch von Plantagen stammen kann, die dort entstanden sind, wo noch vor einigen Jahren die eigentlich natürliche Vegetation der Regionen vorzufinden war. Nun jedoch ist dieser Lebensraum für Tausende von Tieren und Pflanzen den Plantagen gewichen, die das für westliche Luxusgüter so „wertvolle“ – billige – Palmöl liefern.

Damit ist das Thema aber noch nicht abgeschlossen. Weitere kritische Fragen kann sich ein jeder von uns stellen: Woher beziehen wir unsere Kleidung, unsere Möbel, unsere Elektrogeräte und unseren sonstigen Schnick-Schnack? Fliegen wir 2-3x im Jahr in den Urlaub bzw. dienstlich durch die Welt oder fahren wir dorthin mit dem Fahrrad? Wie bewegen wir uns überhaupt fort? Mit Auto, Bus, Bahn, Fahrrad oder zu Fuß?

Es steht außer Frage, dass wohl kaum jemand von uns in der Lage wäre, an all diesen Punkten sein Leben auf völlige Nachhaltigkeit und so umweltschonend wie möglich umzustellen. Ich möchte damit auch nicht sagen, dass es deshalb völlig überflüssig is, überhaupt etwas zu tun, weil es nichts bringen würde. Oh nein, ich bin für jeden kleinen Schritt, der uns Menschen wieder dichter mit unserem Lebensraum Natur verbindet. Ich stelle nur immer wieder fest, dass wir Menschen oft dazu neigen, uns eine bestimmte Sparte zu suchen, in der wir Aktionismus betreiben: Tierschutz, Baumsterben, Regenwaldabholzung, Polarkappenschmelze, Billigkleidung usw. In diesem Aktionismus zeigen wir dann mit dem Finger auf die Personen, welche sich in dem Zusammenhang unserem Empfinden nach nicht korrekt verhalten und befriedigen so unser Gewissen und unser Ego und haben das Gefühl, wir seien „gute“ oder zumindest „bessere“ Menschen.
…aber der Kurztrip nach New York über Weihnachten muss sein, denn der Flug war spottbillig und shoppen macht dort so viel Spaß…

Die Ausgrenzung, welche in diesem Aktionismus und durch das „mit dem Finger zeigen“ leider stattfindet, entspringt den gleichen Wurzeln, welche uns grundsätzlich voneinander und von unserer natürlichen Umgebung abspalten. Wir dürfen als Menschheit begreifen, dass wir alle miteinander und unserer Umwelt verbunden sind und das wir im besten Falle mit allen Dingen in unserem Leben sorgsam, aufmerksam und in Dankbarkeit umgehen. Eine Abgrenzung gleich welcher Art kann uns jedoch niemals dorthin bringen, wieder zueinander zu finden oder gar „eine bessere Welt“ zu erschaffen. Durch urteilsfreies, wertungsfreies und liebevolles Verständnis für jedwede Andersartigkeit können wir Menschen uns wieder zusammenbringen. Und die daraus resultierenden Dialoge werden wahre Produktivität, Kreativität und Spiritualität in den Menschen fördern.

Ich sage JA! Macht weiter und nehmt Euch der Themen an, welche Euch nahe liegen und versucht, Menschen aufzuklären, aber lasst das Ganze nicht absurd werden, indem ihr anders agierende Menschen mit einem sich von Euch unterscheidendem Verständnis und differierender Perspektive verurteilt, während ihr selber an anderen Stellen Eure „umweltbelastenden“ oder anderweitige „ausgrenzenden“ Macken habt.

Sollte es nicht darum gehen, ein Bewusstsein zu schaffen, in uns selbst und in anderen? Solange es uns noch darum geht das Recht auf die einzig richtige und wahre Meinung zu einem Sachverhalt zu erlangen, werden unsere Verbesserungsbemühungen beinahe hinfällig, weil es nur um das Beruhigen des eigenen schlechten Gewissens und die Befriedigung des eigenen Egos geht.

Sonnige Grüße und allen ein fantastisches erstes Juliwochenende!