Abstand nehmen und Ruhe gewinnen

In Situationen oder Umständen, in denen wir uns nicht wohl fühlen, ist es für die meisten von uns schwierig, die innere Balance zu bewahren. Wir fühlen dumpfe Leere im unteren Bauch oder unser Herzschlag poch uns bis in die Schläfen. Übelkeit, Magendruck und andere Beschwerden können uns sogar so krank machen, dass wir nicht mehr in der Lage sind, unseren Alltag zu bestreiten.
Andere Menschen glauben für sich eine Lösung darin zu finden, sich in jeder anderen Minute mit Dingen abzulenken. Sie flüchten so lange sie können förmlich vor der ungeliebten Lage, in der sie sich immer wieder finden. Aber damit werden sie letztlich auch nicht glücklicher und ausgeglichener. Wir treffen auf einen Menschen, mit dem wir uns nicht verstehen und immer wieder streiten oder setzen uns einer wiederkehrenden Tätigkeit aus, die uns unglücklich macht und dabei geraten wir mehr und mehr aus dem Gleichgewicht und entfernen uns immer weiter von unserem inneren Selbst. Diese innere Balance wieder zu finden und das Leben auch in solchen Momenten anzunehmen ist dann die größte Herausforderung.

Manchmal hilft es, einen Schritt aus der Situation heraus zu machen. Dies kann körperlich geschehen, indem wir räumlichen Abstand gewinnen, aber auch innerlich, indem wir uns gedanklich vollkommen der Situation entziehen. Mir ging es lange Zeit in meinem alten Beruf so, dass ich mich in den Umständen, die der Job mit sich brachte, einfach nicht mehr wohl fühlen konnte. Ich habe mich damals freigetreten und mir eine Auszeit gegönnt. Ich habe meine Selbstständigkeit vorbereitet, in dem ich mich weiter ausgebildet habe und diese dann auch schnellstmöglich umgesetzt. Ich habe Entscheidungen getroffen, die mein JETZT verändert haben. Nicht alles, was dadurch an Veränderung in mein Leben kam, hat mich nur glücklich gemacht. Das wäre einfach nicht wahr, aber bereut habe ich nichts davon. Nur so konnte ich nach einer langen Zeit ein Experiment wagen, indem ich ein kurzes Projekt in meinem alten Beruf annahm. Die Begleitumstände waren wunderbar und passten genau zu meinen Vorstellungen. Ich hatte die Möglichkeit, meine Klienten weiter zu betreuen und konnte für mich herausfinden, wie es sich nach der langen Zeit anfühlen würde, dem alten Job nachzugehen. Ich bin dankbar, dass ich diese Entscheidung so getroffen habe. Damals einen großen Schritt aus dem eigenen Berufsfeld heraus zu machen hat meine Perspektive, mein Empfinden und meine Gedanken stark beeinflusst. Ich spüre, wie ich gelassener und mit mehr innerer Ruhe auch in „alten“ Umgebungen glücklich sein kann. Innere Widerstände sind nicht mehr vorhanden und die Rückkehr in die Gesellschaft vieler wunderbarer Kollegen und Freunde hat sich als ganz wunderbare Sache herausgestellt.

Jeder sollte und darf sich eine solche Auszeit nehmen. Eine Auszeit von was auch immer gerade nötig ist. Es muss nicht der Beruf sein. Vielleicht ist es Vereinsarbeit, die nicht mehr so von der Hand gehen will. Vielleicht aber auch ein Hobby, das fad geworden ist. Vielleicht ist es die eigene Verwandtschaft, von der wir hin und wieder ein wenig Abstand brauchen. Wir dürfen diese Dinge loslassen, denn keine Entscheidung muss endgültig sein. Und mit dem veränderten Blickwinkel lassen sich alte Muster viel schneller erkennen und auch viel schneller wieder loslassen.

Dann merken wir, dass plötzlich zwei verschiedene Tätigkeiten auf wundersame Weise zusammen passen, die wir nie vorher für kombinierbar gehalten haben. Wir erkennen, dass der Mensch, mit dem wir uns stetig stritten, die Welt gar nicht so anders sieht, als wir es empfanden und können Frieden schließen. Oder es begegnen uns Menschen, die die uns helfen, unsere neue Perspektive zu festigen.

Alle Dinge, denen wir in unserem Leben begegnen, haben eine Aufgabe für uns: Menschen, Situationen, schicksalhafte Ereignisse. Sie alle lehren uns etwas, dass wir zu lernen haben. Das wir uns ausgesucht haben, zu lernen und zu erfahren, damit wir uns selbst erkennen und verstehen können. Den Schritt von etwas weg zu machen, dass Teil unseres Lebens ist, fällt nicht immer leicht, denn wir haben die Angst davor, dass es dann für immer weg sein wird. Und hin und wieder sind Ereignisse eben genau dazu bestimmt, dass wir sie erleben, um sie anschließend aus der Distanz noch einmal zu betrachten und für uns neu zu entdecken. Sie werden sich dadurch verändern, es wird sich sowieso alles stets verändern und anpassen. Wenn Du dieses Wissen in Deinem Herzen trägst, wirst Du weniger Angst haben und Deine innere Ruhe selbstbestimmt herstellen können. Nicht unbedingt von heute auf morgen, aber es wird Dir immer leichter fallen.

Es ist manchmal der Abstand von etwas notwendig, um zu begreifen, wie nahe wir einem Menschen, einer Tätigkeit oder einem Umstand sein können, ohne dass uns dies in Ungleichgewicht bringt.