In inniger Zweisamkeit

Beinahe jeder von uns hat in seinem Leben das Ziel, den EINEN Menschen zu treffen. Wir haben dabei vor Augen, dass wir mit diesem Wesen eine lange Zeit verbringen möchten. Diese Idee verschafft uns ein Gefühl von Sicherheit und Beständigkeit, die es genau betrachtet nicht gibt. Dennoch streben wir danach und sich auf der Suche nach unserem Seelenverwandten, mit dem wir durch dick und dünn gehen können und der selbst dann an unserer Seite bleibt, wenn die Welt um uns herum dem Untergang geweiht scheint.

Es ist aber auch ein Zeichen unserer Zeit, dass es offenbar zunehmend mehr Menschen schwer fällt, diese Art von Verbundenheit mit einem anderen Menschen einzugehen. Daraus entstanden sind unzählige Versuche zu erklären, worin die Gründe dafür liegen könnten. Verschiedene Ratgeber wollen uns erklären, wie Mann und Frau „funktionieren“, um so den Angebeteten an uns zu binden. Wissenschaftler suchen nach beweisbaren Fakten, die uns Klarheit verschaffen sollen. Die Religionen rufen uns dazu auf, alles in unseren Kräften stehende zu tun, solche Bindungen einzugehen und dennoch scheint es keine Lösung zu geben, die verlässlich ist.

Ich glaube, dass die Lösung für dieses groß geredete „Problem“ viel einfacher ist, als wir wissbegierigen Menschen so vermuten. Eine der wichtigsten Regeln ist, dass wir lernen müssen, wir selbst zu sein. Immer dann, wenn wir nach Programmen, Prägungen und erlernten Mustern agieren und unserem Geliebten etwas „vorspielen“, riskieren wir unmittelbar das Scheitern einer innigen Beziehung. Ich sollte mir in jedem Moment mit meinem Partner bewusst sein, wer ich wirklich sein will, was ich wirklich empfinde und was ich mir im Zusammensein mit dem anderen Menschen wünsche.

Im zweiten Schritt geht es darum, dass wir uns wohlwollend und verständnisvoll in einen verbalen Austausch mit unserem Partner begeben. Ich sollte niemals von meinem Gegenüber erwarten, dass er oder sie erahnt, wie es mir in den verschiedenen Situationen des Alltags geht. Ich werde zu großer Wahrscheinlichkeit mit einer solchen Haltung enttäuscht werden. Habe ich aber im Kopf, dass die Wahrnehmung meines Partner in Bezug auf alle Erlebnisse immer anders sein kann, als meine eigene Wahrnehmung und gebe ihm und mir dann im Anschluss durch ein Gespräch die Möglichkeit, die jeweils andere Perspektive auch zu erkennen und zu verstehen, wird sich daraus eine immer inniger werdende Bindung ergeben. Außerdem gibt ein solch offener Austausch auch sehr schnell Aufschluss darüber, ob wir in dem anderen wirklich den Menschen gefunden haben, den wir in ihm vermuten.

Es ist überaus hilfreich, wenn in diesen Gesprächen nicht nach Schuld gesucht wird. Vor allem sollten wir uns selber nicht schuldig fühlen. Wenn mein Partner mir sagt, dass ich ihn durch eine Äußerung oder ein Verhalten verletzt habe, darf ich natürlich darüber traurig sein und mich entschuldigen, wenn mein Herz es mir signalisiert. In diesem Moment jedoch Schuld zu empfinden, kann mich in einen Verhaltensmodus bringen, der die Beziehung ebenfalls gefährdet. Schuld verleitet uns gerne dazu, uns aus Rücksichtnahme auf den anderen in unserem Verhalten zu verändern. Jedoch verändern wir uns nicht aus unserem tiefsten inneren Selbstverständnis heraus, sondern nur, um unserem Partner einen Gefallen zu tun und überdies dient dieser Gefallen nicht dem Wohl des Partners, sondern nur unserem Bild von uns selbst. Wir möchten unser Verständnis darüber, wer wir selber sind, wieder ins rechte Licht rücken – nicht beim anderen, sondern bei uns.

Es ist nicht einfach, die alltäglich aufkommenden Situation und Erlebnisse immer völlig wertfrei zu vermitteln, aber es ist eine Übung, die sich für beide Partner lohnt. Wir können so gemeinsam erfahren, wer wir sind, wer der andere ist und was wir zusammen sein wollen.

In beiderseitiger Anerkennung und Wertschätzung darüber, dass wir uns gegenüber dem anderen öffnen und ohne Zurückhaltung offenbaren, wie wir uns in den verschiedenen Momenten der Beziehung fühlen, eröffnet sich ein Dialogfluss, der beiden die wundervolle Möglichkeit gibt, immer mehr zu einer spürbaren Einheit zu werden. Es entfaltet sich so ein unglaubliches Potenzial an gemeinsamen Erkenntnissen und dies lässt uns dem anderen immer näher kommen.

Der Weg zu all dem liegt in uns selbst. Wir dürfen uns gegenüber ehrlich sein. Wir dürfen zu dem stehen, was wir sind. Wir dürfen erkennen, was wir nicht sein wollen. Wir dürfen das sein, was unser Herz uns zeigt. Wenn wir es schaffen, uns selber treu zu sein und uns zu achten, werden wir ganz allmählich beinahe automatisch auch dem anderen eben diese Achtung entgegen bringen. Sind wir nicht wir selber, sondern spielen wir ein kleines Spiel, weil wir beeindrucken und uns ins „beste“ Licht rücken wollen, geben wir ein verzerrtes Bild von uns ins Außen ab. Unser Partner wird sich dann an dieses Bild gewöhnen. Wenn wir irgendwann zwangsläufig die Illusion unseres verzerrten Bildes nicht mehr aufrechterhalten können, wird dies den Partner verstören. Er wird das Gefühl bekommen, plötzlich einen anderen Menschen um sich zu haben. Er wird Zweifel darüber haben, was an uns real war und was wir vorgespielt haben. Hieraus ergeben sich Konflikte, die dann schon beinahe nicht mehr überwindbar sind und häufig zum Ende einer Beziehung führen.

Liebe sehnt sich nach Grenzenlosigkeit und Unmittelbarkeit:
Erkenne Dich selbst, liebe Dich selbst und sei Du selbst.
Gib preis, was Du empfindest.
Sei achtsam, Behutsam und respektvoll mit Dir und dem anderen.
Beobachte und nimm wahr, jedoch verurteile nicht.